Des historischen Kerns Oder so genandten kurzen Chronica Erstter Theil. Fürstellend: Die merckwürdigsten Welt- und Wunder-Geschichte, so sich in und ausser Europa in diesem noch währenden Land- und Leuth-verderblichen Krieg so wohl zu Wasser als Lande von Anno 1670 - 1675 zugetragen. 4 Bände 1670 - 1673.
Hamburg, Thomas von Wiering, 1695.
Kl.-8°. Mit 6 mehfach gefalteten Kupfertafeln. 72; 72; 56; 56 S. Schichte Pappbände der Zeit mit montierten, handschriftlich beschrifteten Rückenschildchen.
Graesse III, 208; Schröder 1434, 4; Seebaß/Kistner, 459.
Chroniken der Jahre 1670-73, nach Happels Tod erschienen und von fremder Hand verfasst, die sowohl gesellschaftliche als auch historische, naturgewaltige und seltsame Ereignisse aus den deutschen und anderen europäischen Ländern in Reihenfolge der Jahrestage präsentieren.
Eberhard Werner Happel (1647-1690), Universalgelehrter, Schriftsteller und Übersetzer. Happel studierte (ohne jedoch einen Abschluss zu erlangen) in Marburg Medizin, Mathematik und Jura. Seine Tätigkeit als Privatlehrer führten ihn von Magdeburg nach Hamburg, wo er sich aufgrund finanzieller Zwänge zu einem höchst produktiven Schriftsteller entwickelte. Er verstarb mit nur 42 Jahren und hinterließ eine große Anzahl von (teils mehrbändigen) abenteuerlichen und phantastischen Romanen, deren Handlungen er mit Vorliebe in fremde Länder verlegte.
Während seine Romane, „von denen auch nicht ein einziger vor der Kritik bestehen kann“ zu ihrer Zeit Beifall fanden, obwohl seine „Darstellung dagegen eben so matt und breit [ist], als seine (…) Reflexionen alltäglich und schaal sind und da es ihm an wahrer geistiger Gediegenheit und poetischer Tiefe fehlte, (…) erlosch bald nach seinem Tode sein Ruhm wieder (…)“. ( Jacob Franck, Otto Beneke in ADB, Band 10 (1879), S. 551-552). Seine historischen Chroniken kommen jedoch in der Kritik mit dem Lob davon, daß diese die Achtung der Historiker erhalten haben.
So bricht die Autorin Uta Egenhoff in ihrem Artikel „Eberhard Werner Happel: Berufsschriftsteller und Autor einer der ersten Zeitschriften des 17. Jahrhunderts“ (Kalmenzone, Heft 5, 2014, S. 7-11) eine Lanze für den von der Kritik so verrissenen Autor.
Happel war nach neueren Recherchen (ebd.) im Hamburger Verlagshaus Wiering tätig und in eine der dort erscheinenden Zeitung (der „Wieringschen Zeitung“) insofern eingebunden, als das er Jahreschroniken, die „Kern-Chronika der merkwürdigsten Welt- und Wundergeschichte“ verfasste, die zunächst als einzelne Flugblätter erschienen. „Vor allem aber kommt Happel als Verfasser einer der ersten deutschsprachigen Zeitschriften Bedeutung zu; die „Relationes Curiosae/ oder die grösten Denckwürdigkeiten der Welt“ (1682-1690) wurden im Umfang von acht Seiten im Oktavformat dem „Relations-Courier“ einmal wöchentlich beigelegt.“ (S.9, ebd.). Im Verlagshaus „Güldenes ABC“ bestand die Möglichkeit für die Öffentlichkeit, neben der Zeitung und den Flugschriften auch die Schriften von Happel zum halben Preis einzusehen. Der Aufbau der Textsammlungen, die sich auf historische Ereignisse bezogen, war derart gestaltet, dass Leser an jeder Stelle einsteigen konnten, keine lange Aufmerksamkeitsspanne benötigten und jederzeit von vorne nach hinten blättern, also schmökern konnten. Laut Egenhoff kommt Happel als Verfasser der Chroniken eine besondere Bedeutung zu. Statt schweren Folianten wurden „durch die Zeitung und Zeitschrift aber (…) sukzessive die Neugierde auf aktuelles Geschehen und die Lust an einem vergnüglichen und allgemein bildendenden Lesen geweckt und bedient. Diese Medien – und mit ihnen der Zeitschriftenautor Happel – markieren den Beginn einer modernen Informationsgesellschaft.“ (ebd.,S.10).
Auch nach Happels Tod wurde seine Zeitschrift weiter aufgelegt und hatte unter dem Namen der „Relationes Curiosae“ bis weit in das 18. Jahrhundert Bestand. Auch die hier vorliegenden Exemplare stammen aus der Zeit nach dem Ableben Happels, wie einerseits das Datum der Herausgabe als auch der Zusatz „Des weyland Everhardi (…) Chronica zur Nachfolge und Continuation“ verraten. - Der gebürtige Niederländer Thomas von Wiering (1640-1703), einer der bedeutendsten Drucker, Verleger und Zeitungsproduzenten Hamburgs, nannte seine Druckerei „Im güldenen ABC“. Diese und der Verkaufsladen „Wierings Kram“ befanden sich in der Hamburger Altstadt.
Die Kupfer zeigen folgende Abbildungen: einen Blick auf die Stadt Bugia und brennende, algerische Raubschiffe, den Rebell Stencko Radzin (Chronik 1671); die grosse Seeschlacht der englischen, französischen und holländischen Flotte, die befestigte Stadt Coeverden, die grausame Ermordung der niederländischen Brüder Johan und Cornelius De Witt, die Belagerung von Groningen und die Eroberung von Coeverden (Chronik 1672); die Stadt Mastricht in seiner Fortification, Schlacht der polnischen Armee gegen die Türken bei Ghocim (Chronik 1673).-
Zustand: Einbände etwas berieben; Ecken und Kanten berieben und bestoßen; sämtliche Kapitale mit Fehlstellen; Seiten gering gebräunt; S.3 des 4. Bandes mit Eckausriß; die Kupfertafel mit kleinen Knickfalten und kleinen teils hinterlegten Einrissen; die Seiten 33 - 34 in Chronik 1672 fehlen.